Reisebericht São Tomé

Die Schwarze Kobra (Naja melanoleuca, eigentlich Schwarzweiße Hutschlange, Schwarzweiße Kobra, Weißlippenkobra oder Waldkobra) ist auf São Tomé nicht selten anzutreffen

Donnerstag, 22. Juni: Die Anreise zum zweitkleinsten Staat des zweitgrößten Kontinents klappt wie am Schnürchen, ist aber nicht ganz unanstrengend: Mehr als 18 Stunden sind wir von der Haustür bis zur ersten Unterkunft unterwegs, davon elf Stunden in der Luft und weitaus mehr noch im Flieger: drei Starts, drei Landungen. Zunächst geht es in dreieinhalb Stunden bis Lissabon, hier die Maschine gewechselt, weitere sechs Stunden bis nach Accra, der Hauptstadt Ghanas. Ein Zwischenstopp ohne Ausstieg. Unmöglich, sich die Beine zu vertreten. Einige Passagiere verlassen uns, andere steigen zu. Das Warten in der engen Kabine wird lang. Endlich geht es wieder in die Luft. Nochmals anderthalb Stunden bis zu unserem Ziel.

Der Einreise-Check am Flughafen dauert eine Ewigkeit. Zunächst erwartet uns eine Art Arztvisite – jedenfalls halten wir sie dafür. Zwei Herren in weißen Kitteln prüfen unsere Dokumente, dann dürfen wir weiter zur eigentlichen Passkontrolle. Ein weiteres Mal anstehen. Vor uns werden drei Afrikanerinnen, deren beeindruckende und beim besten Willen nicht zu übersehende Popos breiter sind als hoch, einfach nicht abgefertigt. Warum erschließt sich uns nicht, auch nicht, dass diese drei, wie auch einige andere Reisende (der Sprache nach schweizer Geschäftsleute), Geldscheine in ihrem Pass über den Tresen reichen. Bestechung, um hineingelassen zu werden? Einreisegebühren, von denen wir nichts gelesen haben? Es wird uns ein Rätsel bleiben. Zumindest brauchen wir nichts zu bezahlen und werden, nachdem wir endlich an der Reihe sind, dennoch ruckzuck abgefertigt.

In den Straßen der Hauptstadt
Vor dem winzigen Flughafengebäude erwartet uns der Fahrer eines Minibusses. Kinder, die darauf bestehen, unser Gepäck zum Kleinbus bringen zu dürfen, prügeln sich anschließend, weil wir deutschen Deppen nur Euro-Geldscheine dabeihaben und dem Größeren der beiden einen Fünfer in die Hand drücken – den bekanntlich kleinsten Euroschein. Sie sollen ihn sich teilen. Geteilt wird aber nicht, stattdessen ausgeteilt: Der Altere boxt den Kleineren zu Boden und verschwindet mit dem Geld. Unsere erste Lektion: Nach Möglichkeit immer auch ein paar Ein-Dollar-Noten als Bakschisch zur Hand haben. Oder besser noch am Airport Geld in die Landeswährung, also in Dobras, tauschen. Das ist auf Dauer ohnehin etwas kostengünstiger. 

Praia Inhame Eco Lodge bei Nacht

Die nächtliche Fahrt durch die Hauptstadt und weiter zur Südspitze der Insel lenkt uns vom schlechten Gewissen wegen unserer, nennen wir es freundlich, Naivität ab. Einige der Straßen von São Tomé Stadt sind löchriger als so mancher Wald- und Wiesenweg daheim. In den spärlich gesäten Orten, durch die wir kommen, sitzen die Dörfler im Freien vor einer Glotze und schauen gemeinsam fern. Ansonsten geht es fast ausschließlich durch den Dschungel. Überhaupt ist ein Großteil der Insel von dichtem Urwald bedeckt. Da es keine nennenswerte Forstwirtschaft gibt, gilt er als einer der noch intaktesten der Erde, mit einer Vielzahl endemischer Pflanzen- und Tierarten.

Palmwein-Verkauf

 Knapp die Hälfte der Einwohner ist unter 15
 Typische Dorfstraße im Landesinneren ... und ringsum Urwald
Unsere Lodge liegt am Südzipfel der Insel, inmitten des Dschungels
 Nach über zwei Stunden Autofahrt, die letzten Kilometer davon über eine holprige Schotterpiste, langen wir fast genau auf der Südspitze der Insel in unserer Praia Inhame Eco Lodge an – todmüde, zerschlagen, hungrig. 
Zum Glück bekommen wir noch etwas vom Abendbüffet ab, das übrigens ausgezeichnet ist, und komplikationslos unsere Bungalows zugewiesen – einfache, aber geräumige, saubere und mit allem notwendigen Komfort ausgestattete Holzhütten auf Stelzen. Ganz traditionell, aber sicherlich eine gehörige Portion luxuriöser als die meisten Holzhäuser der Einheimischen. Fast augenblicklich schlafen wir ein, während der Wind durch die offenen, nur mit Moskitonetzen verhängten Fenster unserer Hütte streicht.

 Bananenstauden gibt's reichlich auf São Tomé ... und in allen Formen, Größen und Farben

 Praia Inhame Eco Lodge
 Freitag, 23. Juni: Schon die ganze Nacht hindurch war es extrem windig. Der Morgen erwartet uns nicht anders. Die Temperaturen liegen bei halbwegs angenehmen 24 Grad – nachts wie tagsüber gleichermaßen. Leider bleibt es auch den restlichen Tag über windig und bedeckt. Kaum, dass sich die Sonne mal blicken lässt. Dafür ist das Meer warm – sogar etwas wärmer als die Luft – und es gibt kaum Moskitos. Vermutlich ist der Wind zu stark. Überhaupt werden wir in den kommenden zwei Wochen nur wenige Moskitos zu sehen und erst recht zu spüren bekommen. Wir brauchen quasi keinen Moskitoschutz – weder in Form von Kleidung noch von Netzen zum Schlafen. Anfangs sprühen wir uns noch ein, später lassen wir selbst das weg, zumal die Malaria als so gut wie ausgerottet gilt – erklärt man uns zumindest. Ebenso stolz zeigen sich die Einheimischen auch in Bezug auf die Bekämpfung der Schlafkrankheit, die offenbar das größere Problem darstellt. Auch die sie übertragende Tsetsefliege soll kurz vor der Ausrottung stehen. Noch aber ist die Kindersterblichkeit relativ hoch. Zum Vergleich: Während Deutschland auf Platz 16 der Weltrangliste beim prozentualen Anteil der Lebendgeburten steht, belegt São Tomé & Príncipe Platz 127 (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_ Kindersterblichkeitsrate).

  Alle Wege führen durch den Dschungel

Nach dem Frühstück auf einer Terrasse direkt am Strand wandern wir ein Stück selbigen in Richtung Porto Alegre, entdecken absolut einsame Buchten. Nirgends Einheimische oder Touris, die den Strand bevölkern. Bestenfalls, dass hier und da mal eine Gruppe Frauen und Kinder im angrenzenden Dschungeldickicht Brennholz sammelt. 

 Holzsammler bei Praia Inhame
 Auch die Kinder müssen mit ran

  Wer braucht schon Beutel oder Taschen, wenn er einen Kopf zum Tragen hat?

 Zurück in unserer Lodge gönnen wir uns gegrilltes Hühnchen zum Mittag. Die Auswahl ist nicht groß, aber das Wenige, das es gibt, schmeckt vorzüglich. Zum Abendbrot auf unserer Restaurant-Terrasse bekommen wir gegrillten Barrakuda, den wir fortan auf beinahe jeder Speisekarten finden werden und den es hier offenbar reichlich vor der Küste zu fangen gibt. Auch er schmeckt ausgezeichnet. Die Weine und Biere, das Mineralwasser und die Limonaden – alles aus Portugal und dafür verhältnismäßig preiswert – sind ebenfalls hervorragend.

Das Restaurant unserer Lodge am Abend

Sonnabend, 24. Juni: Es ist weiterhin sehr windig und stark bewölkt. Hin und wieder gehen sogar ein paar kleine Regentropfen nieder. Zum Glück dauert der Regen nie lange an. Nur die Sonne lässt sich leider fast überhaupt nicht blicken. Das Frühstück ist, wie schon tags zuvor, einfach, aber ausreichend, sofern nachgelegt wird (was meist nur nach Aufforderung geschieht). Der Kaffee hingegen ist eine halbe Katastrophe. Ausgerechnet auf São Tomé, wo man exzellenten Kaffee produziert!

Frucht des Brotfruchtbaums

Wieder wandern wir den Strand entlang Richtung Norden, diesmal bis Porto Alegre, der einzig größeren Ortschaft im gesamten Süden des Eilands. Unterwegs baden wir in einer total einsamen und paradiesischen Bucht. Leider lässt sich die Sonne nicht ein einziges Mal blicken. Wenigstens ist es mild, wenn auch weiterhin sehr windig. Wie wir später erfahren: absolut typisch für diese Jahreszeit. Die beste Reisezeit soll Januar/Februar sein. Dann ist es kaum regnerisch und windig, angenehm warm und man kann die Meeresschildkröten bewundern, die hier schlüpfen.

Porto Alegre, die "Hauptstadt" des Südens, ist quasi auch nur ein Dorf 


 Überbleibsel des Krieges gegen die portugiesische Kolonialmacht, Porto Alegre
 

 Haupthaus der Roça (Plantage) von Porto Alegre

Am "Hafen" von Porto Alegre 

 Oberhalb der Bucht bei Ngembu können wir in einem fast nagelneuen Restaurant einer erst vor wenigen Monaten eröffneten Lodge etwas essen und trinken – quasi mit einem gratis Blick auf die paradiesischen Buchten, die gesäumt sind von Palmen, Tamarindenbäumen und Mangroven. Der Sohn des Besitzers führt uns anschließend einen gewundenen Dschungelpfad hinauf auf eine kleine Landzunge – vielleicht 50 bis 60 Meter über dem Meer. Am Wegesrand wachsen Bananen, Kokosnüsse, Hibiskus und anderes mehr. Unser junger Guide zeigt uns seltene Pflanzen und Kräuter und klärt uns darüber auf, dass es in der Gegend sehr viele Kobras gibt, diese aber sehr scheu sind, wir sie also kaum zu Gesicht bekommen dürften. Hoffentlich wissen die Schlangen auch davon!

Der alte Sommersitz eines Ex-Präsidenten
 Am Ende des Pfads empfängt uns die Ruine einer zweistöckigen Villa. Wir durchstreifen das alte Gemäuer. Geckos huschen erschreckt davon. Sie sind Besucher nicht gewohnt. Vor zwanzig Jahren, so erfahren wir von unserem Guide, war dies die Sommerresidenz des vormaligen Präsidenten. Seither steht sie leer und verlassen.
Bucht südlich von Ngembu

Blick von Ngembu auf Porto Alegre 

Zu unserer Rechten, gen Süden, schimmert ockerfarbener Sandstrand durch das grüne Blätterdach, eine Melange aus schwarzer Lava und weißem Muschelkalk, die von den warmen Wellen des Atlantiks sanft gestreichelt wird. Verführerisch lädt die einsame Bucht zum Baden ein.


Blick nach Süden, zum Ilhéu das Rolas, der Insel der Turteltauben

 Die Sandstrände bei Porto Alegre sind ockerfarben, einsam und wild

 Anschließend geht es zum Hauptort der Gegend: Porto Alegre. Eine Ansiedlung, die zu großen Teilen einer Favela gleicht. Schweine, Ziegen, Hühner rennen durch die holprigen, mal matschigen, mal sandigen Straßen, die man kaum als solche bezeichnen kann. Selbst die wenigen Steinhäuser sind halb bis komplett eingefallen. Sobald noch ein halbwegs intaktes Dach drauf ist, ist es von Familien in Beschlag genommen, so wie die Roça, das alte Herrenhaus einer Kaffee- oder Kakao-Plantage, inmitten des Ortes. Die meisten Behausungen sind ohnehin aus Holz und wegen der zur Regenzeit üblichen Überschwemmungen auf Stelzen erbaut. Strom gibt es hier und da, aber keine Kanalisation oder fließendes Wasser. Der Dorfbrunnen ist zumeist die einzige Frischwasserquelle. Wäsche gewaschen wird grundsätzlich im Fluss. São Tomé & Príncipe zählt zu einem der ärmsten Länder Afrikas. Doch wer weiß das schon?

 "Graffiti" auf são-tomensisch (Porto Alegre)

 Den kleinsten Staat Afrikas, die Seychellen, kennt vermutlich fast jeder Deutsche – zumindest dem Namen nach –, obgleich die Wenigsten um seinen Platz in der Flächen-Rangfolge wissen dürften und ihn, trotz seiner viel gepriesenen Traumstrände, kaum jemals bereist haben werden. Ein Urlaub auf den kleinen Eilanden im Indischen Ozean ist für die meisten Deutschen kaum erschwinglich. Letzteres trifft ganz sicher auch auf das zweitkleinste Land des zweitgrößten Kontinents zu, das sage und schreibe nur einen ganzen Quadratkilometer mehr misst, um nicht mehr in die Kategorie der so genannten Zwergstaaten zu fallen. Sein Name ist hingegen den Wenigsten geläufig: Oder wem sagt schon São Tomé und Príncipe etwas?


Fußball wird, wie hier auf dem Ilheu das Rolas, überall gespielt

Der tausendundein Quadratkilometer große Inselstaat liegt den Seychellen quasi genau gegenüber, nämlich auf der Westseite Afrikas, im Golf von Guinea, rund 240 Kilometer vor der Küste Gabuns, also genau in dem Bogen, wo das breitgezogene, nördliche in das schmaler werdende, südliche Afrika übergeht. Er besteht aus zwei Hauptinseln: dem sehr viel größeren São Tomé und dem deutlich kleineren, nördlicher gelegenen Eiland Príncipe – dem Heiligen Thomas (benannt nach dem Tag seiner Entdeckung) und seinem kleinen Prinzen, der ursprünglich Santo António hieß – Heiliger Antonius, weil er, man ahnt es schon, zunächst ebenfalls nach dem Tag seiner Entdeckung benannt worden war. Diese ereignete sich im Januar 1472. Nur einen knappen Monat zuvor, im Dezember 1471, hatte der portugiesischen Seefahrer João de Santarém die Hauptinsel entdeckt und für die portugiesische Krone in Besitz genommen.
Fischerboote, Ilheu das Rolas

Was beide Eilande mit den Seychellen hingegen verbindet, ist die Schönheit ihrer Natur. Wie heißt es so treffend in der Werbung eines Onlinereiseanbieters: „Vergessen Sie die Karibik, Mauritius und die Malediven! Entdecken Sie ein Land fern vom Massentourismus wie ein Seefahrer vor 500 Jahren, entdecken Sie die unvergleichliche Schönheit dieser naturbelassenen Inseln.“ Im Hinblick auf seine natürlichen Ressourcen darf das getrost gelten: Das Klima ist angenehm, die Inseln sind üppig grün. Fast die gesamte Hauptinsel ist von einem tropischen Regenwald bedeckt, der Rückzugsort zahlreicher Arten an Pflanzen und Tieren ist, viele davon sogar endemisch. Die Schwarze Kobra (eigentlich heißt sie Schwarzweiße Hutschlange, Schwarzweiße Kobra, Weißlippenkobra oder Waldkobra) zählt allerdings nicht dazu. Es heißt, sie wurde eingeführt, um der überhandnehmenden Ratten und Mäuse Herr zu werden, heißt es. Da hat man dann wohl den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Denn diese Art zählt zu den gefährlichsten Schlangen Afrikas. Nähere Bekanntschaft mit ihnen sollte man daher besser vermeiden. Wesentlich erfreulicher ist hingegen eine Begegnung mit den Menschen von São Tomé. Sie sind überwiegend freundlich, friedlich und Fremden gegenüber aufgeschlossen, was angesichts ihrer Geschichte beinahe verwundert.

Die Großen kümmern sich um die Kleinen
 Bei ihrer Entdeckung waren die Eilande unbewohnt. Arbeitskräfte mussten her, um dem fruchtbaren Boden Erträge abzuringen. Schon bald schifften die Portugiesen Schwarzafrikaner auf ihren Karavellen heran. Vor allem aus Angola holten sie ihre Knechte – zunächst als Sklaven, später als so genannte Kontraktarbeiter, die formal das Recht hatten, sich freizukaufen und in ihre Heimat zurückzukehren. Allein das, was nach Abzug für Kleidung, Essen und Arbeitsgerät vom ohnehin schon kargen Lohn übrigblieb, reichte kaum zum Überleben, geschweige denn, um sich die Heimpassage zu leisten. Und so blieben die einstigen Sklaven quasi Gefangene einer Fronabhängigkeit, die ein Fortkommen von den Inseln so gut wie unmöglich machte. 

Kleine "Gesellschaft", Ilheu das Rolas
Auf den Äckern der gerodeten Flächen, den Roças (roçar bedeutet so viel wie die Erde aufkratzen), wurde zunächst Zuckerrohr und Kaffee, später dann Kakao produziert. Um 1900 war São Tomé nicht nur der größte Kakaoproduzent, sondern auch derjenige, der den qualitativ besten erzeugte. Das weckte Begehrlichkeiten bei anderen Nationen. Vor allem Deutschland und Großbritannien stritten um die Vorherrschaft über die Inseln. Die Briten versuchten Portugal São Tomé & Príncipe abspenstig zu machen, indem sie auf eine Beendigung der sklavenähnlichen Zustände pochten, mussten sich jedoch letztlich der Stärke der deutschen Kolonialbestrebungen beugen. 1913 kam es zu einem Vertrag zwischen den beiden Kontrahenten, der vorsah, dass bei einer Zahlungsunfähigkeit Portugals die Inseln Deutschland zugeschlagen würden. Der Versailler Vertrag als Resultat des Ersten Weltkriegs zerstörte – neben so manch anderen Träumen – auch die der deutschen Kolonial-Ambitionen. Und so blieben São Tomé und Príncipe weiterhin portugiesisch – bis 1975. Nach der Nelkenrevolution vom April 1974, die im Mutterland das Ende der längsten faschistischen Ära einläutete, wurde – neben allen übrigen Kolonien (Mosambik, Angola, Guinea-Bissau, Kapverden, Ost-Timor) – auch São Tomé & Príncipe in die Unabhängigkeit entlassen. Damit hatten die São Tomenser nicht nur ihre Souveränität erlangt – sie führte auch zum Ende der sklavenähnlichen Verhältnisse seiner Bewohner.

 Der "Hafen" von Porto Alegre

„Viele von uns mögen daher nach wie vor keine festen Arbeitsverträge“, erklärt unser Fahrer Kinzinho. „Die Erinnerung an die Kolonialzeit und die Sklavenarbeit sind noch zu frisch.“ Viele wurschteln deshalb lieber für sich. Und das oft mehr schlecht als recht. Dies mag auch einer der Gründe dafür sein, warum die hiesige Wirtschaft zwar wächst, aber auf niedrigem Niveau. Zwar setzt die Regierung zunehmend auf den Tourismus, aber das braucht seine Zeit. Noch sind die Inseln zu wenigen Urlaubshungrigen bekannt, obgleich Bacardi mit dem Banana Beach auf Príncipe einen der weltweit exotischsten Traumstrände in einem seiner Werbespots paradiesisch ins Szene setzte. Doch mit gerade einmal 6.000 Touristen pro Jahr lässt sich nicht viel Geld verdienen (zum Vergleich: 2012 beherbergten die Seychellen 191.000 Touristen). Wer einsame Sandstrände unter Palmen mag und keine gehobene Infrastruktur verlangt, wird hier sein Paradies finden. Wie lange noch, bleibt abzuwarten. Die ersten Ausländer haben die supergünstigen Immobilienpreise und das unverfälschte Ambiente eines europäisierten Afrikas bereits für sich entdeckt. Dem entgegen stehen die relativ hohen Reisekosten, wohingegen die Seychellen bisweilen schon fast zu Schnäppchenpreisen buchbar sind. Und freilich sind die Zustände nur für Touristen paradiesisch: Das Gros der Bevölkerung lebt in einfachsten Hütten, ohne Strom, ohne Wasser, ohne Kanalisation. Dennoch wirken die São Tomenser stets fröhlich, unbeschwert und offenherzig. Sie leiden keinen Hunger, die Malaria gilt als so gut wie ausgerottet und die Zukunft liegt vor ihnen. Knapp die Hälfte der Einwohner ist unter 15 Jahren.
Die Mehrheit der Bewohner sind Abkömmlinge einstiger Sklaven

In den "Straßen" vom Ilheu das Rolas
Marco do Equador
 Wir sind noch immer in dem für unsere Verhältnisse bizarr anmutenden Porto Alegre. Das Dorf scheint – wie fast alle Ortschaften auf der Insel – vorwiegend aus jungen Menschen zu bestehen. Die Jugendlichen des Ortes spielen Fußball auf einer Wiese, die von der durch den Ort führenden Hauptstraße, einem holprigen Sandweg mit ordentlichen Schlaglöchern, durchschnitten wird. Die Kleineren tragen Lasten auf dem Kopf, sitzen im Dreck der Straße oder spielen mit selbst gebasteltem Spielzeug aus Holz. Nur wenige Alte sind zu sehen. Sie schauen mal mehr, mal weniger teilnahmslos dem Treiben der Jugend zu. 

Äquator-Marke
Am Hafen wird an einem provisorischen Holztisch mit Karten gezockt. Hier ist alles ebenso echt wie arm und verfallen. Das hindert die Menschen nicht daran, freundlich zu sein, uns lächelnd zuzuwinken oder sich für ein Foto in Pose zu werfen. Das Paradies ist kein Ort des materiellen Reichtums und dennoch urig – natürlich nur aus touristischer Sicht und aus der Gewissheit heraus, abends den gewohnten europäischen Komfort zu genießen, den wir längst für selbstverständlich erachten, der aber für den Großteil der Menschheit purer Luxus bedeutet.


Das künftige Essen hält Mittagsruhe
 Sonntag, 25. Juni: Nach dem Frühstück – immer noch windig und bewölkt – lassen wir uns zum Ilheu das Rolas, der Insel der Turteltauben, übersetzen. Der Bootsführer hat nicht zu viel versprochen: Im Gegensatz zur großen Schwester herrscht auf der nur drei Quadratkilometer kleinen Nachbarinsel tatsächlich eitel Sonnenschein. Von der lediglich zwei Kilometer entfernten Rolas aus sehen wir, wie sich schwere, tiefhängende Regenwolken an den Berghängen São Tomés verfangen. Abgesehen vom Sonnenschein bietet sich uns hier ein ähnliches Bild wie in Porto Alegre: Holzhütten und halb verfallene Steinhäuser dominieren den winzigen, 130 Seelen fassenden Hafenort, den einzigen der Insel. Ein Guide, den wir eigentlich gar nicht wollen, der sich uns aber aufdrängt und nicht abwimmeln lässt, führt uns durch den Dschungel zur Äquator-Marke. Hier steht die Luft förmlich. Sofort spüren wir die extreme Schwüle, die auch im Landesinneren São Tomés herrscht. Uns bricht augenblicklich der Schweiß aus allen Poren. Aber es ist ein schöner und imposanter Platz: Mit einem Bein stehen wir auf der Nordhalbkugel, mit dem anderen auf der Südhalbkugel. Eine Markierung auf dem Boden symbolisiert die Teilung der Erdhälften. Weiter geht es zur Praia Café, einer Bucht mit feinem, weißen Sandstrand, an dem ein paar Holzbänke und Tische aufgereiht sind und wo unser Mittagessen auf einem Grill zubereitet wird. Wir baden ausgiebig, bekommen dann frischen Fisch, Oktopus, gebackene Bananen und Brotfrucht. Dazu gibt es Bier und eine große Flasche Wasser, das uns noch gehörig zu Denken Anlass geben und eine weitere Lektion erteilen wird.

Problemlösung durch Temporalisierung: Ein Schrottkahn im "Hafen" vom Ilheu das Rolas 
Am Pestana Ressort, Ilhéu das Rolas
 Als wir unseren Rundgang um die kleine Insel fortsetzen, hindert uns ein Wächter in Uniform daran, ins Ressort einer portugiesischen Hotelkette, dem Pestana Equador, zu gelangen. Eigentlich wollen wir nur einen Kaffee trinken, sollen jedoch jeder sechs Euro als Eintritt bezahlen. Schon unser ungewollter Guide hatte uns kräftig abgezockt, und auch das Mittagessen war mit insgesamt 50 Euro für hiesige Verhältnisse mehr als üppig bemessen, daher weigern wir uns standhaft, hoffen, auf einem parallel verlaufenden Weg ins Café des Pestana-Ressorts zu gelangen. Sofort kommt der Aufpasser hinter uns her, verlangt geradezu stoisch seine sechs Euro pro Person. Als wir einen dritten Weg einschlagen, steht er urplötzlich abermals vor uns. Es ist wie im Panoptikum: Egal, wo wir langgehen, der Aufpasser ist zu Stelle und hält die Hand auf. Wir müssen schon lauthals lachen. Auch alle Diskussionen führen zu nichts. Schließlich geben wir es auf und laufen zum Hafen zurück. Dann wird das Pestana eben nicht nur auf die vier mal sechs Euro von uns verzichten, sondern auch auf die Einnahmen für Kaffee und Kuchen. Ein kleines Mädchen von vielleicht drei Jahren setzt sich mit ihren großen Kulleraugen zu uns an die Mole und leistet uns Gesellschaft. Sie sagt kein Wort, lässt sich aber brav mit Gummibärchen füttern.


 Unser Mittagessen wird gegrillt, Praia Café

In der Nacht ereilt mich die angekündigte Lektion: Da ich Durst habe, stehe sich auf und nehme einen kräftigen Schluck aus der Flasche, die wir von unserem Picknick auf der Insel Rolas mitgebracht haben. Das Wasser schmeckt widerlich. Mir wird fast übel davon. Wenig später habe ich Bauchschmerzen. Vermutlich hat man Brunnenwasser abgefüllt und die Flasche nur fest genug zugeschraubt. Beim Öffnen hatte ich nicht darauf geachtet, ja gar nicht mit so einer Möglichkeit gerechnet. Ein wenig Durchfall wird mich die kommenden Tage plagen. Zum Glück keine Cholera! Die Lektion aus der Geschicht‘: Trink Wasser aus unsicherer Quelle nicht!

 Ein für São Tomé typisches Bild: Kinder mit selbst gebasteltem Holzspielzeug

Montag, 26. Juni: Das Wetter bleibt enttäuschend: Obgleich halbwegs warm bei nach wie vor um die 23-24 Grad in Strandnähe und 27-28 Grad im Landesinneren, so ist es doch stark bewölkt und sehr windig. Hin und wieder kommen gar ein paar Regentropfen runter. Wir wandern zur Westseite der Insel, zuerst an die Praia Piscina, wo meterhohe Wellen gewaltige Fontänen emporschießen lassen. 

Weiter geht es zur Praia Jalé mit der gleichnamigen Eco Lodge, die aus ganzen drei Hütten besteht. Wegen der gefährlichen Strömung soll man hier nicht baden, was wir daher auch bleiben lassen, obgleich der Strand sehr einladend wirkt. Dafür serviert uns eine beleibte Mama ein paar Getränke und frittierte Kochbananen. Falls wir etwas Richtiges essen wollten, so müsste sie das erst zubereiten. Aber das würde dauern, erklärt sie mit einem vielsagenden Blick. Da wir nicht vorhaben, hier zu übernachten, verzichten wir. Und so wandern wir nach ein paar Sagres und Sumol (portugiesisches Bier und portugiesische Limonade) wieder zum Restaurant von Ngembu mit der wundervollen Aussicht auf die Buchten von Porto Alegre. Wir essen eine Kleinigkeit und gehen dann an einem der malerischen Strände baden. Über eine Stunde bleiben wir im warmen Wasser, das nach wie vor angenehmer ist als die windige Luft.


Dienstag, 27. Juni: Das Wetter ist lausig. Für Liebhaber nicht allzu heißer Sommer vielleicht ideal – für uns eine deutliche Spur zu kühl. Mit der Zeit zermürbt einen der ständige Wind, die dunklen, regenschweren Wolken, die unerwartete „Kühle“. Schließlich sind wir mitten auf dem Äquator! Da erwartet doch unsereiner Hitze pur. Mittags nieselt es sogar, wenn auch nur sehr kurz. Durch den Wind, der wie ein Mistral über den Strand und durch unsere Hütten fegt, wirkt es kühler, als es bei den 23 Grad tatsächlich ist. Dafür werden wir noch eine weitere interessante Entdeckung machen: Selbst als wir im Norden von stundenlangen Sonnenstrahlen verwöhnt werden, müssen wir uns nicht eincremen. Offenbar ist die Ozonschicht hier noch gut intakt. Wir werden allmählich braun, verbrennen aber nicht.


Weiße Sandstrände an der Praia Café, Ilhéu das Rolas

Nach dem Frühstück wandern wir ein zweites Mal zur Praia Piscina. Wenigstens ist der Anblick romantisch: Gischtwolken meterhoher Brandungswellen liegen über der einsamen Bucht, die ansonsten nur noch von tausenden und abertausenden Krabben heimgesucht wird. Wir schnorcheln in einem natürlichen Meerwasserbecken: Nach einer guten Stunde beginnen wir zu frieren und kehren besser in unsere Lodge zurück. Beim Mittag müssen wir uns sogar leichte Pullover anziehen. Auf dem Rückweg sieht uns ein Landarbeiter den Pfad entlangwandern. Er kommt von seinem Acker auf uns zu: „Ich heiße André, bin hier Bauer und ernte Süßkartoffeln“, erklärt er ungefragt und reicht uns allen, freundlich lächelnd, zur Begrüßung die Hand. Eine Geste, wie wir sie weder aus Deutschland noch von sonst woher kennen.

Praia Jalé

Mittwoch, 28. Juni: Wir nehmen Abschied vom Süden der Insel. Ein älteres italienisches Journalisten-Paar begleitet uns auf unserem Minibus-Transfer von der Praia Inhame Eco Lodge zu unserem Hotel im Nordosten. Wie zum Hohn kommt zum Abschied die Sonne heraus und richtig warm wird es auch, soll heißen: Es werden 28 Grad.
Am Höllenschlund, der Boca do Inferno
Dank unserer beiden Reisebegleiter machen wir unterwegs Halt auf der Roça von São João dos Angolares und an der Boca do Inferno bei Praia Izé. Ersteres ist eine klassisch alte Kakaoplantage mit einem wunderschönen Herrenaus und einer Restaurant-Terrasse mit fantastischem Ausblick auf die Bucht von Angolares; Letzteres bietet ein beeindruckendes Naturschauspiel von meterhoch gischtenden Atlantik-Wogen. Ein Junge verkauft uns Kokoswasser und frisches Kokosnussfleisch. Vorbei geht es am Nationalpark mit dem berühmten Wahrzeichen von São Tomé, dem Pico Cão Grande, einem 668 Meter hohen Vulkanschlot. 


Von Wolken umspieltes Wahrzeichen der Insel: Der 668 Meter hohe Pico Cão Grande, ein erloschener Vulkanschlot

Unsere Unterkunft für die zweite Woche, das Club Santana Beach & Resort, ist der pure Luxus. Gleich zwei Schlagbäume mit Aufpassern sperren die Zufahrt gegen Unbefugte ab. Sinnlos, weil sich in unserer Bucht, unmittelbar neben dem Hotel, ein Fischerdorf befindet und man durch den allseits umfassenden dichten Regenwald von quasi überall her problemlos aufs Gelände gelangen könnte.
Roça São João dos Angolares
Bäuerin



Das Haupthaus der Roça von Angolares beherbergt ein wunderschönes und exquisites Restaurant. Die Küche gilt als eine der besten der Insel

Leider lässt die Sonne zunächst auch hier wieder auf sich warten. Gleich nach der Ankunft gehen wir erst einmal etwas in der Strandbar essen, damit unsere Laune trotz fehlenden Sonnenscheins aufgehübscht wird. Der Luxus schlägt sich hier erwartungsgemäß in den Preisen nieder, was bedeutet: Es ist in etwa so teuer, als würde man daheim essen gehen.

Das Club Santana Beach & Resort kann sich, was Komfort, Sauberkeit und Service anbelangt, ohne Weiteres mit einem 4-Sterne-Hotel bei uns vergleichen

Donnerstag, 29. Juni: Endlich Sonne satt. Und ein super Frühstück mit Blick über die Steilküste auf den Ilheu de Santana, eine winzige Nachbarinsel in Sichtweite. Schon allein der Sonne wegen ist zunächst chillen angesagt – chillen am Pool, chillen am Strand, chillen an der Bar. Und zwischendurch auch mal schnorcheln in der Bucht. Die Cocktails – egal, ob alkoholfrei oder nicht – sind leider fast ebenso grauenvoll wie teuer. Dafür ist das Essen wie immer exzellent. Und während wir bei Sonne und Meer am Äquator sitzen, geht über Berlin und weite Teile Deutschlands ein Jahrhundert-Regen nieder. Davon merken wir hier freilich nicht das Geringste.

Pool und Bucht vom Santana Ressort

Wasserfall von São Nicolau bei Nova Moca
Freitag, 30. Juni: Das Hotel überrascht uns mit einem gratis Ausflug zur Roça Monte Café und zum Wasserfall von São Nicolau bei Nova Moca, der jetzt, in der Trockenzeit, natürlich nicht ganz so spektakulär daherkommt wie zur Regenzeit. Zurück geht es über Trindade und São Tomé. Die Hauptstadt wirkt bei Tage in weiten Teilen fast ebenso heruntergekommen und slumartig wie Porto Alegre – nur größer halt.

Wir nehmen ein spätes Mittag an unserem Strand zu uns und chillen am Pool. Kaum, dass die Sonne untergeht, ist es empfindlich kühl. Abends spielen wir Karten auf der Restaurant-Terrasse, bekommen einen exotischen Cocktail aus Banane, Maracuja und Alkohol, der zur Abwechslung mal den Namen Cocktail verdient. Das Essen (italienisches Buffet) ist großartig. Dazu gibt es wieder (wie zu jedem Buffet) Wein (recht guten portugiesischen, übrigens) und Wasser (ebenfalls gutes portugiesisches) gratis.






Roça Monte Café, eine uralte Kaffee-Plantage
Die berüchtigte Glocke, die die Sklaven zum Zählappell rief


Glücklich wirkende Kinder auf der Roça Monte Café

Gebäudekomplex der Roça Monte Café

Sonnabend, 1. Juli: Wahnsinn: Wir ziehen die Vorhänge beiseite und … es scheint wieder die Sonne. Sie bleibt uns zum Glück den größten Teil des Tages über auch erhalten. Das müssen wir nutzen und chillen daher zunächst am Strand. Mittags lassen wir uns mit dem kostenlosen Hotel-Chuttle nach São Tomé fahren, um die Hauptstadt auf eigene Faust und per pedes zu erkunden. 
Ein typischer "Kiosk"

Eine klassische Autowerkstatt

Der übliche Verkaufsstand
Die Metropole ist der Hammer: Kaum ein Gebäude, das nicht vor sich hin bröselt. Selbst Havannas bröckelnde Uferpromenade, der Malecón, wirkte vor der beginnenden Restaurierung dagegen wie frisch saniert. Im Hafenbecken liegen Skelette uralter Kähne, die munter vor sich hin rosten, die Uferbewehrung ist größtenteils zerfallen oder fehlt gleich ganz. Nur ein paar Bankgebäude und Ministerien sind mehr oder weniger gut in Schuss. Der Markt ist quirlig, bunt und schrill. Fotografieren ist hier jedoch nicht gern gesehen. Die Marktfrauen wehren sich mit lautem Gekeife und wildem Gestikulieren. Eine gänzlich neue Erfahrung, wo doch viele São Tomenser ansonsten erpicht darauf waren, fotografiert zu werden, uns geradezu dazu aufforderten und freundlich ins Objektiv lächelten. Hier aber kommt schnell Geschrei und Gekeife auf, sobald man die Kamera zückt. Das war vor wenigen Jahren noch anders, erklärt uns unser Fahrer im Nachhinein. Seit der Tourismus – wenngleich in sehr bescheidenden Dimensionen – hier Einzug hält, sind die Marktfrauen allergisch gegen das klassische Touri-Gehabe. Sie wollen nicht die Exotik-Statisten mimen. Wir können es ihnen schlecht verdenken. Trotzdem schade um die Bilder, die uns so entgehen.
Uferpromenade in São Tomé Stadt

Am Palácio Presidencial

Catedral da Sé

Hafenbecken nahe dem Stadtzentrum

Forte São Sebastião

Historisches Ufer am Fort São Sebastião

Einziger Imbiss in São Tomé, am Fort São Sebastião

Blick über die Bucht von São Tomé Stadt

Auch der alte Bootsanleger ist schon gehörig in die Jahre gekommen

Historische Kolonialbauten im Zentrum

Der Charme São Tomés erschließt sich oft erst im Detail

Am Abend wird uns Rodisio in unserer Strandbar geboten, dazu gratis Wein, Wasser und Cocktails. Eine Tanzgruppe, die den klassischen Tarraeninha aufführt, von dem man schon beim Zuschauen schwanger wird, wie in einem anderen Blog zu lesen ist (http://www.schwarzaufweiss.de/saotome/sao_tome_und_principe.htm), und ein Musiker, der kreolische und kapverdisch angehauchte Musik darbietet, untermalen das Ganze. Alles vom Feinsten.
Tarraeninha 

Sunset am Strand von Santana
Sonntag, 2. Juli: Heute ist unsere große Dschungel-Tour. Zum Abschluss unserer Reise unternehmen wir den schon quasi obligatorischen Ausflug in den Ôbo-Nationalpark, der knapp ein Drittel der Hauptinsel in Beschlag nimmt. Ob wir hier wohl auf Kobras treffen werden, fragen wir unseren Guide. „Kaum. Die verziehen sich. Sind zu scheu. Aber falls doch mal eine auftaucht, dann unbedingt Abstand halten! Denn falls einer gebissen wird“, erklärt Carlos seelenruhig, „so kann derjenige sich getrost unter den nächsten Baum setzen und auf sein Ende warten.“ Dreißig bis maximal 120 Minuten soll es dauern, bis man das Zeitliche segnet. Zu wenig Zeit, um ins nächste Krankenhaus zu gelangen, in dem ohnehin kein Antiserum vorrätig wäre.



Flammenbäume im Ôbo-Nationalpark
Kaum betreten wir den schmalen Pfad des Nationalparks, als uns Carlos schon auf eine grüne Schlange aufmerksam macht, die nur wenige Meter vor uns im Geäst baumelt. Wir hätten sie vermutlich kaum wahrgenommen. Keine Kobra und doch beeindruckend. Lautlos hangelt sich das Reptil von Ast zu Ast, bis es im Dickicht des Dschungels unseren Blicken entschwindet. Eine halbe Stunde darauf irritieren wir eine sattgelbe und dickliche Schlage, die zwischen uns hindurch über den Pfad huschen will. Angesichts der unerwarteten Zweibeiner weiß sie nicht so recht, ob sie vor oder doch besser wieder zurück soll. Ebenso wenig ist ihr bewusst, dass wir mehr Schiss vor ihr haben, als sie vor uns haben müsste. Schließlich entscheidet sie sich für einen holen Baumstamm gleich neben dem Pfad, in den sie sich eiligst verkriecht. Wenig später langen wir an der sumpfigen Caldera eines erloschenen Vulkans an, die nur in der Trockenzeit begehbar ist. Zur Demonstration versenkt unser Guide einen etwa vier Meter großen Holzstab im Morast direkt zu unseren Füßen.

Kaffeebohnen

Kaffeestrauch
Auf der Rücktour unserer Dschungeltour stoppt uns Carlos unvermittelt: „Halt!“ Selbst ganz überrascht, weist er nur wenige Schritte vor uns auf einen Ast, der unmittelbar in unseren Bergpfad ragt. „Eine Kobra“, setzt er flüsternd und fast ehrfurchtsvoll hinzu. Unverkennbar ist auch der Ranger überrascht von ihrem Auftauchen.
Die berühmt-berüchtigte Schwarze Kobra
Wir warten geraume Zeit, doch die Schlange rührt sich nicht. Man könnte meinen, sie wurde unseretwegen als museales Highlight ausgestopft dort abgelegt.
Behutsam nähert sich der Ranger dem Reptil. Mit seiner Machete klopft er vorsichtig gegen den Baumstamm, auf dessen Ast die Kobra ruht. Von einem Fluchtreflex hat dieses Exemplar scheinbar noch nie etwas gehört. Jedenfalls rührt es sich auch jetzt nicht. Selbst der erfahrene Ranger wirkt ein wenig ratlos. Schließlich wagt er sich mit kaum einem Meter Abstand an der auf Schulterhöhe im Geäst dösenden Giftschlange vorbei und scheint erleichtert, wohlbehalten auf der anderen Seite des Wegs angelangt zu sein. Das hält ihn nicht davon ab, uns zu bedeuten: „Und jetzt ihr!“
Zugegebenermaßen muss ich etwas schlucken. Ich bin der nächste. Wie war das noch vorhin, als Carlos erklärte, ein Biss und dann …? Jetzt den europäischen Hasenfuß zu geben, kommt nicht in Betracht. Ich atme kräftig durch und schreite mit klopfendem Herzen an der noch immer wie tot daliegenden Kobra vorbei. Kaum ein Meter trennt mich von dem tödlichen Reptil. Ein ansehnliches Exemplar von vielleicht 180 Zentimetern. „Ein Jungtier“, doziert Carlos als ich aufatmend bei ihm anlange. Ausgewachsen erreichen diese Tiere eine Größe von drei Metern. Sie gelten als ausgesprochen schnell, aggressiv und extrem giftig.
Schließlich kriecht unsere Kobra, sich dann doch in ihrer Mittagsruhe von vier an ihr vorbeihuschenden Zweibeinern gestört fühlend, in aller Seelenruhe durchs Gebüsch davon.
Inmitten des Ôbo-Nationalparks


Im Ôbo-Nationalpark
Den Abschluss unserer Ôbo-Tour bildet der Rundgang durch einen ganz kleinen botanischen Garten. Zurück im Hotel nutzen wir die letzten Sonnenstrahlen zum Baden im Pool. Abends sehen wir uns das Confed-Cup-Endspiel zwischen Deutschland und Chile an, das die BRD 1:0 gewinnt, womit sie erstmalig bei dieser Art Ausscheid das Siegertreppchen erklimmen kann.

Montag, 3. Juli: Der Wetterbericht verspricht für den heutigen Tag Sonne satt. Tatsächlich wird es ein sonniger und warmer Tag, jedenfalls so sonnig, wie wir ihn auf São Tomé bislang nur selten hatten. Dazu haben wir uns einen kleinen Jeep Suzuki gemietet. Völlig unkompliziert. Einfach morgens den Autoschlüssel abgeholt, 50 Euro übergeben, das war’s. Keine Papiere, keine Unterschrift, keine Dokumente vorzeigen, nichts. Nach dem Frühstück düsen wir los, in den Norden der Insel. Über die Hauptstadt und Guadeloupe geht es zur Praia Tamarindos. Ein malerischer Strand, ideal zum Baden und Schnorcheln. Davor Savannen-Landschaft. Eine Gruppe Jungen, die Fußball spielen wollen, umringt uns alsbald, interessiert sich für unsere Easy-Breath-Masken und woher wir kommen. Weiter geht es zur Lagoa Azul, die zwar wunderschön zum Schnorcheln ist, der Strand leider aber auch voller Müll. An und für sich ein wunderschönes Fleckchen Erde, wenn nur der viele Unrat nicht wäre! Aber das Wasser ist fantastisch und die Unterwasserwelt entschädigt für den Dreck an Land.
Man wäscht sich selbst und seine Wäsche im Fluss



Übrigens braucht man hier vor Haien keine Angst zu haben. Heißt es zumindest. Tatsächlich haben wir keinen zu Gesicht bekommen – noch nicht einmal eine klitzekleine Schwanzflosse, dafür aber viele andere bunte Fische, Muränen, Seeigel, Seesterne, Korallen und anderes mehr an Meeresgetier.
Praia dos Tamarindos
Zum Abschluss gönnen wir uns ein Essen im vornehmeren Viertel von São Tomé, direkt an der Bucht, wo einige sehr ansehnliche Villen und Hotels stehen, wie man sie überall auf der Welt findet. Nicht das typische São Tomé. Trotzdem ist das Panorama sehenswert.
Praia dos Governadores

Im Norden der Insel gibt es die einzige Savannen-Landschaft auf São Tomé

Dienstag, 4. -Mittwoch, 5. Juli: Unser Abreisetag. Und ein Traum-Morgen, der das Abreisen nicht gerade leicht macht: Herrlichstes Sommerwetter mit einer angenehmen Briese. Wir baden im Pool, lassen uns gratis um den Ilheu de Santana, eine sehr kleine, aber bemerkenswerte und mit einigen imposanten Naturschauspielen aufwartende Nachbarinsel fahren.
Praia Azul - der Name bezieht sich auf's Wasser, nicht auf den Strand
16:30 Uhr holt uns der Shuttle ab. Kurz nach 17 Uhr sind wir am Airport. Erst 19 Uhr geht der Flug. Viel Zeit zum Langweilen, denn viel zu Shoppen gibt es nicht. Pünktlich landen wir in Accra. Nach einer kurzen Pause geht es weiter nach Lissabon, wo wir schon gegen halb fünf Uhr früh eintreffen. Der Flug nach Tegel geht leider erst viereinhalb Stunden später. Wir nutzen die Zeit unter anderem zum Kartenspielen und zum Frühstücken.

Fischer beim Hochseeangeln, Ilhéu de Santana
Traditioneller Fischfang vor Santana

Pünktlich, aber zerschlagen, landen wir in Berlin, sind dank eines Taxis schon nach gut 21 Stunden Rückreise wieder daheim. Im Gepäck fast 3.000 Fotos und ganz verrückte Erinnerungen an eine der exotischsten Urlaube, die wir bislang erleben durften.

Bleibt noch zu erwähnen, dass dank unseres Reiseanbieters IVORY TOURS alles ganz hervorragend  organisiert war und von A bis Z wie am Schnürchen geklappt hat, auch wenn wir noch bis unmittelbar vor Reiseantritt etwas verunsichert waren und beinahe die Reise storniert hätten. Trotz wiederholter Aufforderung unsererseits und der Zusagen von Ivory Tours kam kein Sicherungsschein, und auch die Kommunikation mit dem Reisebüro - ob telefonisch oder per E-Mail - verlief mitunter etwas holprig. Vermutlich ist Ivory Tours einfach zu klein, um sich eine teure Versicherung leisten zu können. Trotzdem ein großes Lob für die Organisation und Durchführung! 

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